In der Naturfotografie besucht man die schönsten Plätze der Erde, erklimmt Berge und macht alles um zur perfekten Zeit am richtigen Ort zu sein. Nur so entsteht das perfekte Foto in dem sich zum Beispiel die Lichtstrahlen der aufgehenden Sonne im Bergsee spiegeln. Noch beeindruckender wäre es aber, wenn nicht nur dieses perfekte Foto, sondern eine ganze Serie an wunderschönen Fotos entstehen würde. Durch die Timelapse-Fotografie kann man so das Foto zum Leben erwecken und Dinge sichtbar machen, die man mit freiem Auge gar nicht wahrnehmen würde. Es ist beeindruckend zu sehen wie sich die Sonne über dem Horizont bewegt, wie sich Schatten drehen oder wie schön die weißen Wolken am blauen Himmel vorbeiziehen.
Was ist Timelapse-Fotografie?
Timelapse ist das englische Wort für Zeitraffer – ein sehr schnell beschleunigtes Video, das selbst langsamste Bewegungen sichtbar macht. Somit eröffnen sich neue Betrachtungsweisen, die man mit freiem Auge gar nicht wahrnimmt. Typische Beispiele sind die weißen Wolken am blauen Himmel, der goldene Sonnenuntergang oder das galaktische Zentrum der Milchstraße, das über den Horizont zieht und so die Rotation der Erde sichtbar macht.
So entsteht ein Timelapse
Diese schnellen Zeitraffer-Videos entstehen nicht einfach aus normalen Videoaufnahmen, die nur schneller abgespielt werden. Vielmehr ist es eine besondere Art der Fotografie: Durch kontinuierliches Aufnehmen von Fotos wird daraus zusammengesetzt ein Timelapse-Video. Daher kann mit praktisch jeder Kamera ein Timelapse aufgenommen werden. Für ein 4K UHD Video reichen sogar 12 Megapixel einer älteren DSLR-Kamera.
Besonders wichtig sind ein stabiles Stativ und ein absolut fester Standpunkt für die Dauer der Aufnahme. Nur wenn die Kamera während der Aufnahme exakt am selben Punkt steht, kann daraus auch ein verwacklungsfreies Timelapse werden.
Zusätzlich zur Auswahl eines schönen Fotomotivs muss man ein wenig in die Zukunft sehen: Was bewegt sich? Wie schnell sind die Bewegungen? Sind die Bewegungen interessant? Nur wenn es genügend (langsame) Bewegung im Motiv gibt, ist das fertige, beschleunigte Zeitraffer-Video auch spannend.
Die richtigen Einstellungen in der Timelapse-Fotografie
Das Intervall der Aufnahmen bestimmt später die Geschwindigkeit des Videos. Je mehr Fotos aufgenommen werden (also je kürzer das Intervall), desto langsamer die Bewegungen im Video später. Daher ist es besonders bei schnellen Bewegungen, wie Autos, wichtig, kurze Intervallzeiten zu verwenden. Für die ersten Versuche empfehle ich einen Wert von 5 Sekunden, grobe Richtwerte sind in Tabelle 1 vermerkt.
Damit die Fotos konstant mit gleichen Einstellungen aufgenommen werden, empfiehlt es sich die Belichtungseinstellungen manuell vorzunehmen. Autofokus und Bildstabilisierung werden deaktiviert, sowie Zeit, Blende und ISO fest eingestellt. Um in der Nachbearbeitung einen möglichst großen Spielraum für die Verbesserung der Fotos zu haben, sollte unbedingt im RAW-Modus aufgenommen werden.
Intervallauslöser
Ausgelöst wird entweder mit dem integrierten Intervalometer der Kamera oder einem externen Kabelauslöser. Um auch während der Aufnahme die Fotos kontrollieren zu können, oder Belichtungsparameter ändern zu können, ist auf jeden Fall ein externer Auslöser zu empfehlen. Der Unterschied zu speziellen Timelapse-Auslösern, wie dem LRT Pro Timer, ist, dass diese kein Autofokus-Signal schicken und so nur mit manuellem Fokus funktionieren. Das bringt den Vorteil, dass die Kamera zwischen dem Auslösen länger bedient werden kann oder kürzere Schwarzzeiten (Zeit zwischen zwei Belichtungen) möglich sind.
Belichtungszeit
Um einen möglichst weichen und Kinofilm-ähnlichen Look zu erreichen, sollte die Belichtungszeit zumindest 50 % des Intervalls betragen. Dadurch werden schnelle Bewegungen etwas unscharf und im fertigen Video weicher. Das wiederum bedeutet, dass tagsüber meistens mit Graufilter gearbeitet werden muss. Bei Sonnenschein ist daher meist ein ND1000 Graufilter notwendig. Dieser verlängert die Belichtungszeit um das Tausendfache bzw. um 10 Blendenstufen und so wird aus 1/500 Belichtungszeit 2 Sekunden.
Abgespielt wird das Video später mit 25 Bildern pro Sekunde. Daher ergeben 250 Fotos ein 10-sekündiges Timelapse-Video. Das wiederum entspricht bei einem Intervall von 5 Sekunden einer realen Aufnahmedauer von rund 21 Minuten.
Tabelle: Richtwerte für Intervall & Belichtungszeit
Motiv | Intervall | Belichtungszeit |
Autos/Menschen | 2 s | 1 s |
Wolken, viel Wind | 3 s | 1,5 s |
Wolken, wenig Wind | 5 s | 2,5 s |
Sonnenuntergang | 5 – 10 s | 1/10 s – 5 s |
Milchstraße/Sterne | 12 – 32 s | 10 – 30 s |
Die Bearbeitung der Timelapse-Fotografie
Um nach der Aufnahme die vielen hunderten Fotos in ein Video zu verwandeln, ist eine spezielle Software erforderlich: LRTimelapse ist hier die erste Wahl. Es bietet mit Abstand die meisten Möglichkeiten und arbeitet nahtlos mit Adobe Lightroom zusammen.
Mit Lightroom werden einzelne Fotos der Sequenz (die Keyframes) wie gewohnt bearbeitet, um danach mit sanften Übergängen mittels LRTimelapse auf die ganze Fotoserie synchronisiert zu werden. So bearbeitet man zum Beispiel das erste und das letzte Foto einer Sequenz.
Der abschließende Export der Fotos erfolgt in Lightroom und wird mit LRTimelapse zu einer Videodatei zusammengefügt. Das Ergebnis ist, je nach Einstellung, ein Video mit maximaler Auflösung, maximaler Schärfe, maximalem Dynamikumfang und bester Qualität. Qualität, die mit keiner Videokamera erreicht werden könnte.
Der heilige Gral: Sonnenuntergang / Sonnenaufgang
Durch die sich verändernden Lichtbedingungen ist es eine besondere Herausforderung den Tag-Nacht bzw. Nacht-Tag-Übergang als Zeitraffer festzuhalten. Wird die Landschaft immer dunkler, muss während der Aufnahme die Belichtung entsprechend angepasst werden. Anders als es die Kameraautomatik machen würde, sollte die Reihenfolge der Anpassung aber umgekehrt erfolgen: Zuerst wird die Belichtungszeit immer weiter verlängert bis die maximale Belichtungszeit erreicht ist (2 – 3 Sekunden weniger als das Intervall). Danach wird die Blende bis zum Maximum geöffnet, lichtstarke Objektive sind hier von Vorteil. Erst danach wird die ISO entsprechend erhöht.
Umgesetzt wird die Belichtungsanpassung entweder vollautomatisch oder manuell. Mit entsprechenden Smartphone Apps, die per WLAN oder USB die Kamera steuern, funktioniert das ganz gut. Zu empfehlen ist hier die App qDslrDashboard für Android bzw. ControlMyCamera für iOS. Oder aber man achtet selbst auf die korrekte Belichtung und regelt händisch die Kamera immer weiter nach. Klingt kompliziert, ist aber mit etwas Übung oft einfacher als das Herstellen der WLAN-Verbindung bei so mancher Kamera.
Mit LRTimelapse können in der Nachbearbeitung die Belichtungssprünge zwischen den Fotos mit dem “Holy-Grail-Wizard” ausgeglichen und zu einem weichen Übergang von hell zu dunkel zusammengefügt werden.
Mehr Dynamik durch Motion Control
So richtig beeindruckend werden Zeitraffervideos wenn sich zusätzlich zur schnellen Bewegung des Motivs auch noch die Position des Zuschauers bewegt. Wenn sich die Kamera während der Aufnahme bewegt, sieht man als Betrachter noch mehr vom Motiv. Gibt es auch markante Objekte im Vordergrund wird durch die unterschiedliche Bewegung von Vorder- und Hintergrund auch noch ein gewisser 3D-Effekt erzeugt. Das lässt das Video noch echter und spannender wirken.
Motion Control Hardware
Um die Kamera zB. über einen Zeitraum von 30 Minuten um 100 cm zu bewegen, ist sehr viel Präzision notwendig. Händisch wäre es unmöglich die Kamera dermaßen gleichmäßig in so kleinen Schritten weiter zu bewegen und jede Unregelmäßigkeit wäre sofort im Video sichtbar. Daher gibt es spezielle Schienen und Motoren, die genau das übernehmen und über einen zusätzlichen Controller gesteuert werden.
Vor allem bei langen Belichtungszeiten ist es wichtig, dass die Bewegung nicht während der Belichtung stattfindet. Daher muss der Controller das sogenannte Shoot-Move-Shoot-Prinzip beherrschen, sich also zwischen zwei Belichtungen bewegen. Umgebaute Eieruhren oder ähnliche Tipps sind daher nicht geeignet für professionelle Timelapse-Aufnahmen, da sie sich konstant bewegen würden.
Die Firma Black Forest Motion hat speziell für Timelapse-Fotografen den Controller “PINE” entwickelt. Dieser wird über eine App am Smartphone konfiguriert und steuert damit bis zu vier Motoren. Neben einer Schiene, die die Kamera zB. von links nach rechts bewegt, kann so auch noch die Drehungs- (“Pan”) und Neigungs- (“Tilt”)Achse gesteuert werden. Die vierte Ebene könnte dann noch die langsame gleichmäßige Veränderung des Fokus sein.
Hyperlapse in der Timelapse-Fotografie
Wenn es darum geht, die Kamera nicht nur um einige Grad zu drehen oder um 1 m zu bewegen, stößt herkömmliche Motion Control Hardware an seine Grenzen. Hyperlapse nennt sich daher die Aufnahmetechnik, mit der es möglich ist, die Kamera über mehrere hunderte Meter zu bewegen. Konkret funktioniert das so, dass man das Stativ zwischen zwei Fotos immer um die gleiche Länge von zB. einer Schuhlänge weiterstellt.
Auch beim Hyperlapse muss sehr präzise gearbeitet werden. Die Kamera sollte während der gesamten Aufnahme immer wieder an einem Fixpunkt in einiger Entfernung ausgerichtet werden, um das gewünschte Motiv im Blick zu behalten.
Da sich dabei kleine Unregelmäßigkeiten nicht vermeiden lassen, ist die Nachbearbeitung etwas aufwendiger. Vor allem die Stabilisierung der meist sehr wackeligen Aufnahme mit Programme wie Adobe After Effects oder PremierePro bedeutet viel Aufwand.
Timelapse-Fotografie Schnellstart-Anleitung
Für einen einfachen Einstieg in die Timelapse-Fotografie habe ich für Sie eine detaillierte Schnellstart-Anleitung zum kostenlosen Download vorbereitet. Schritt für Schritt erkläre ich die Herangehensweise zum richtigen Motiv, die richtigen Einstellungen und wie mit LRTimelapse ein fertiges Video entsteht: www.MH1.photo/timelapse-vtnoe
Matthias Hausdorf ist Timelapse- und Naturfotograf und vermittelt in Workshops sein Wissen über die professionelle Timelapse-Fotografie und die Faszination Zeitraffer. Auf seinem Blog MH1.photography schreibt er regelmäßig über aktuelle Themen der Timelapse-Fotografie und verrät Tipps & Tricks zur weiteren Videobearbeitung.
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