Der Landweg nach Rumänien zieht sich: Das brettlebene ungarische Tiefland ist eine ziemlich lieb- und reizlose Industrielandschaft: Robinien- und Pappel-Plantagen, die Leere der riesigen Felder, Auto- und Industrielandschaften.
Umso mehr freut sich das Herz, wenn nach der Vorbeifahrt an Arad die Karpaten in Sicht kommen und Bewegung in die flache, sonnenverbrannte Szenerie kommt. Der vergangene Hitzesommer hat in Rumänien deutliche Spuren hinterlassen: Die Maiskulturen sind fast allesamt verdorrt, die Eichenwälder tragen fahles, braunes Laub.
Nicht so im hoch aufragenden Fagaras-Gebirge, das wir am Morgen des zweiten Reisetages nach einem One-Night-Stop in Sibiu (Hermannstadt) erreichen. Hier sorgen die riesigen, naturnahen Wälder für mehr Verdunstung bzw. Wolkenbedeckung und die gebirgsbedingten Steigungsregen für Niederschlag. Die Wälder danken mit erfrischendem Grün.
Womit wir beim Thema wären: die Wälder. Was machen wir eigentlich in Rumänien?
Diese längere Geschichte begann vor gut 15 Jahren, als mich mein rumänischer Freund Gabi Paun (Ex-Kollege bei Greenpeace, Gründer / Präsident der rumänischen NGO Agent Green) in das wilde Retezat-Gebirge brachte. Ich fand mich auf einmal in einer Wald- und Gebirgswildnis, die ich bis dato eher in Kanada verortet hatte. Da stand ich nun in einem völlig wilden Tal mit einem uralten Fichtenwald. Eine Paradies. Und eine Verheißung.
Doch Gabi Paun berichtete auch von massiven Waldzerstörungen im Land durch mehr oder weniger illegale Abholzungen. Somit war ich in der Geschichte drinnen – wer weiß, wird verantwortlich. Also engagierte ich mich fortan bei Urwaldschutz-Kampagnen und -Projekten mit den NGOs Euronatur, Agent Green, Client Earth sowie mit Universitäten in Prag und Rottenburg. Die EU startete 2020 auf unsere Initiative ein Vertragsverletzungsverfahren wegen der brachialen Urwald-Schlägerungen in den EU-Schutzgebieten Rumäniens (aber ließ dieses dann versanden). Medien berichteten weltweit über das Urwald-Drama. Rumänien beherbergt heute noch um die 500.000 Hektar Ur- und Naturwälder. Mehr als irgendein anderes EU-Land in der gemäßigten Klimazone. Doch: die Abholzungen in uralten Wäldern dauern an. Was tun?
Vor zwei Jahren startete die Hochschule für Forstwirtschaft Rottenburg ein Projekt, um eine exemplarische Schutzgebietskulisse für bedeutende Urwälder in zwei Fokusregionen (Fagaras-Gebirge und Domogled – Valea Nationalpark) zu erarbeiten und „Urwald-Tourismus“ als Anreiz für den besseren Schutz dieser Wälder zu entwickeln. Hintergrund ist die EU-Biodiversitätsstrategie (2030), die alle Ur- und Naturwälder der EU streng schützen will. Das Projekt wird dankenswerterweise von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt und der Heidehofstiftung Stuttgart (Bosch) finanziell unterstützt. Im Zuge dieses Projektes organisieren wir auch Schnuppertouren in ausgewählte Urwaldgebiete – u.a. mit Medienvertreter:innen und Fotografiefans.

VTNÖ-Fotograf:innen unterwegs in Rumänien
Und dieses Projekt ist auch der Grund, warum wir im August 2024 in das Fagaras-Gebirge unterwegs sind: Der VTNÖ hat meine Anregung zu einer Fotoreise in Rumäniens Paradieswälder aufgegriffen und ein „Regionaltreffen“ in den wilden Karpaten angesetzt. Ein Kleinbus (vom Nationalpark Gesäuse zur Verfügung gestellt) voller Naturfotograf:innen ist dem Ruf gefolgt.
An drei Tagen erkunden und fotografieren wir nun herrlich wilde Täler im Norden der Fagaras-Berge: das Laita-Tal, das Arpasu Mare-Tal und das Vistea Mare-Tal.
Die „Fogoroscher Alpen“ erheben sich sich wie eine himmelhohe Wand über die Ebenen Transylvanians. Der höchste Gipfel ist mehr als 2500 Meter hoch. Die oberen Bereiche der steilen Täler sind teils Täler völlig wild und von Urwald bewachsen. Insgesamt findet sich hier der größte Urwaldcluster in Rumänien: Mehr als 30.000 ha wilde Wälder haben in diesem schroffen, steilen Gebirge den Abholzungswellen für die Eisen- und Salzherstellung überstanden, welche in den Alpen zum nahezu völligen Verschwinden der Urwälder geführt haben. Dank ihrer Abgelegenheit, Unzugänglichkeit und schweren „Bringbarkeit“ sind vor allem etliche Buchenmischwälder hier noch sehr nah am „originalen“ Wald.
Einige Täler im Fagaras sind völlig wild – kein Pfad führt in die urzeitliche Landschaft mit ihren moosigen , teils über 500 Jahre alten Veteranenbäumen, pilzbewachsenen Totholzgebilden, gischtenden Wasserfällen oder unbegehbaren Felsabstürzen. In den oberen Bereiche der drei Täler, die wir erkunden, finden wir faszinierende Bergurwälder mit teils enormen, Buchen und Tannen. Gebirgsbäche schäumen durch die anarchischen Baumensembles. Allerdings sind selbst diese abgelegenen, wilden Wälder aktuell nur teilweise – meist in den für Holzfäller schwer erreichbaren und daher uninteressanten oberen Talabschnitten – vor Abholzungen geschützt. Während das extrem wilde und unbegehbare Laita-Tal nur im untersten Teil über einen nicht markierten Steig (mit vielen frischen Bärenspuren) erreichbar ist, führen markierte Wanderwege in das Arpasu Mare und das Vistea Mare Tal. Eine genussvolle und fotografisch überaus ergiebige Begehung ist hier somit leicht möglich. Wir steigen also drei Tage lang durch moosige, totholzreiche Wälder mit riesenhaften Tannen und Buchen, die mit fotografischen Motiven nicht eben geizen. Daher dringt unsere Gruppe mit großer Langsamkeit in diese urweltlichen Landschaften ein – und es klicken ständig die Auslöser.

In diesen weitgehend menschenleeren Wäldern sind wir aber nicht allein Es ist vielmehr davon auszugehen, dass Wölfe, Luchse und Bären uns aus dem Verborgenen beäugen. Zumindest künden Bären- und Wolfsspuren am schlammigen Weg von ihrer Präsenz. Die wilden Bewohner des Urwaldes zeigen sich aber nicht. Manche in der Foto-Gruppe sind darob auch eher erleichtert.
Zu einer Bärensichtung kommt es dann allerdings doch noch. Die örtlichen Bären haben nämlich herausgefunden, dass die vielen Touristen auf der Transfagarasan-Gebirgsstraße kulinarisch interessanten Müll am Straßenrand zurücklassen. Zudem werfen unreflektierte Autofahrer den wilden Bären Obst zu, um dann Bären-Fotos als Beute heimzubringen. Schilder am Straßenrand verbieten zwar die Tierfütterungen bei Strafe, doch für ein cooles Selfie mit Bär im Hintergrund wird das natürlich ignoriert.
Reisen in die rumänischen Urwälder erfreuen nicht nur Herz und Kamera, sondern können auch dazu beitragen, diese einmaligen Ökosysteme zu bewahren. Wilde Wälder dieser Art und Ausdehnung sind in Europa heute also nämlich kaum mehr zu finden. Weglose Urwaldtäler gibt es in den Alpen gar keine mehr. Daher ist jeder Quadratmeter dieser Paradieswälder von enormem Wert. Und zum Schutz dieser Naturlandschaften können fotobegeisterte Menschen auch ein wenig beitragen: Fahrt nach Rumänien, besucht und fotografiert die Urwälder – und sprecht darüber!
Ihr könnt das selbstorganisiert tun – etwa indem ihr die Tourenbeschreibungen hier verwendet : www.primaryforests.org
Oder ihr könnt euch einer organisierten Reise anschließen – etwa ARR-Reisen (www.arr.at). Ich werde im Juni (voraussichtlich 5.6. – 9.6. 2025) und Oktober (voraussichtlich 29.10.-4.11. 2025) Fotoreisen in die rumänischen Fagaras Gebirge und Domogled – Valea Cernei Nationalpark begleiten.
(PS.: Alle meine Fotowanderungen / Fotoreisen 2025 könnt ihr hier einsehen: https://schickhofer-photography.com/photowalkshops2020/ )
Text und Fotos: Matthias Schickhofer

Schon als Kind habe ich meine Freizeit am liebsten draußen verbracht! Die Begeisterung zur Natur, zum Abenteuer und zum Reisen ist für mich von sehr großer Bedeutung, ebenso die Liebe zur Fotografie. Berichte und Fotos gibt es auf meiner Homepage zu sehen.
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