Nachfolgend möchte ich ein Gebiet Osteuropas vorstellen, das für die meisten Leser unbekannt sein dürfte. Die Region Oblast Cherson mit der gleichnamigen Hauptstadt in der Südukraine. Cherson liegt 100 km südöstlich der Halbinsel Krim und hat über den Dnepr (drittgrößter Fluss Europas) Zugang zum 30 km entfernt liegenden Schwarzen Meer. Unmittelbar am Stadtrand beginnt das weitläufige Delta des Dnepr, welcher mit dem Südlichen Bug bei dem Dnepr-Bug-Liman – einem lagunenartigen Strandsee – ins Schwarze Meer mündet. Große Teile des Mündungsgebietes gehören zum Biosphärenreservat Schwarzes Meer. Die weit verzweigten Wasserläufe mit Schilfgürteln, Sumpfinseln und Auwaldbereichen bieten vielen Vögeln, Amphibien, aber auch Bibern und Fischottern einen Lebensraum.
Rund um Cherson
Rund um Oblast Cherson existieren ausgedehnte Dünenflächen aus Flugsanden des Dnepr. Um einer weiteren Ausbreitung entgegenzuwirken, wurden Anfang des 20. Jahrhunderts großflächig Kiefern- und Akazienwälder gepflanzt. Tier- und Pflanzenwelt sind hier perfekt an die trockenen Bedingungen angepasst. Östlich von Cherson befindet sich sogar eine 1.600 km2 große Halbwüste, die sog. Oleschky Sande. Große Teile des Areals sind leider gesperrt, weil es jahrzehntelang militärisch genutzt wurde und noch etliche Blindgänger herumliegen.
Auf den ersten Blick weckt die flache Steppenlandschaft in der Region kaum Erwartungen auf spektakuläre naturfotografische Möglichkeiten. Die in Sowjetzeiten angelegten riesigen Felder werden mittels Bewässerung landwirtschaftlich vor allem zum Anbau von Getreide, Sonnenblumen und Melonen genutzt. Zwar hält sich der Einsatz von Dünger und Pestiziden noch in Grenzen, aber die intensive Monokultur sorgt leider für zunehmende Erosion der fruchtbaren Schwarzerdeböden. Zwischen den Feldern gibt es aber immer wieder größere brachliegende Flächen mit Bäume. Diese dienen zum Schutz gegen den Steppenwind und der Tier- und Pflanzenwelt als Rückzugsräume. Als typische Steppenbewohner kann man hier Hamster, Perlziesel, Steppeniltis, Hase, Rebhuhn, Fasan, Bienenfresser, Wiedehopf und sogar die seltene Wiesenotter finden. Seit einiger Zeit gibt es auch wieder größere Bestände von Steppenwölfen.
Wenn man von Oblast Cherson in Richtung Krim fährt, erreicht man den Küstenort Skadovsk mit der vorgelagerten Dscharylhatsch-Bucht und der gleichnamigen Insel, die im Sommer von Ausflugsbooten angesteuert wird. In dieser Lagunenlandschaft lassen sich interessante Aufnahmen der Küstenfauna und –flora des Schwarzmeerraumes realisieren. Im Stadtzentrum von Skadovsk selbst existieren einige Kolonien von Rotfußfalken.
Anreise nach Oblast Cherson
EU-Bürger brauchen für die Einreise in die Ukraine bei einem Aufenthalt bis zu 90 Tagen kein Visum. Zu erreichen ist die Region am einfachsten per Flugzeug über die Hafenstadt Odessa. Allerdings muss man dann noch 200 km nach Cherson mit dem Zug, Minibus oder Taxi zurücklegen. Man kann auch den kleinen Regionalflughafen Cherson über Kiew oder Istanbul anfliegen. Eine Anreise mit dem Auto gestaltet sich nicht zuletzt aufgrund der schlechten Straßenverhältnisse in der Ukraine als schwierig. Mit Englisch kann man sich kaum verständigen. Außerdem muss man Kyrillisch lesen können und wenn man nicht des Ukrainischen mächtig ist, sollte man zumindest Russischkenntnisse haben.
In der Nähe militärischer Anlagen bzw. Truppenbewegungen sollte man keinesfalls fotografieren. Aufgrund des Konflikts mit Separatisten in der Ostukraine könnte dies falsch interpretiert werden. Von der ländlichen Bevölkerung wird man ohnehin eher skeptisch beäugt, wenn man mit einem großen Teleobjektiv durch die Gegend streift. Ansonsten sind die Ukrainer sehr gastfreundlich. Wenn die Sprachbarrieren erst einmal überwunden sind, kann es durchaus passieren, dass man zum Essen und ein paar Gläschen Vodka eingeladen wird. Aufgrund der wirtschaftlichen Not ist das Naturschutzbewusstsein leider nicht sehr stark ausgeprägt. Aber es gibt noch viele versteckte Ecken, in denen die Natur der eurasischen Steppe interessante Einblicke gewährt.
Die Leidenschaft Naturfotografie stellt für mich einen wichtigen und vor allem kreativen Ausgleich zum beruflichen Alltag dar. Am liebsten fotografiere ich dabei vor der Haustüre, im Alpenraum aber auch auf Urlaubsreisen im Mittelmeerraum und der Ukraine.
Schreibe einen Kommentar