Ende Juli/Anfang August 2018 war ich erstmals für eine Woche im Spreewald im Südosten Brandenburgs. Genauer gesagt in Lübben und dem angrenzenden Umland der Niederlausitz. Früher war die ganze Region ein riesengroßes Sumpfland. Nach und nach wurde das Gebiet von den Sorben – einer nationalen Minderheit slawischer Abstammung – urban gemacht. Wahrscheinlich sind die Sorben während der Völkerwanderung im 6. Jahrhundert in die Lausitz eingewandert. Ihre eigene Kultur und Sprache haben sie sich bis heute bewahrt.
Zu den natürlichen Flussverzweigungen der Spree wurden in den vergangenen Jahrhunderten unzählige kleine Kanäle als Transportwege angelegt. Deshalb ist die Region des UNESCO Biosphärenreservats Spreewald heute noch eine der bedeutendsten Auen- und Moorlandschaften Deutschlands.
Da der Aufenthalt im Spreewald Teil unseres Familien-Sommerurlaubes war, hatte ich zunächst keine großen Erwartungen bezüglich naturfotografischer Möglichkeiten. Zumal das Wetter dieses Sommers durch extreme Hitze und Trockenheit geprägt waren. Wie es sich für einen ambitionierten Naturfotograf gehört, hatte ich zumindest einen Teil der Kameraausrüstung dabei. Neben Kamera, Standardbrennweite und Stativ lagen ein Makro, ein Telezoom-Objektiv und eine Tarnjacke im Auto bereit. Und natürlich hatte ich mich vorher ein wenig über die dortige Fauna und Flora bzw. interessante Plätze informiert. Vorrangig wollte ich mich aber vom beruflichen Alltag erholen. Und mit der Familie bei den sommerlichen Temperaturen das Badevergnügen in der Spree genießen.
Insekten und Pflanzen im Spreewald
Aber ganz ohne das geliebte Hobby geht es eben nicht. Und so habe ich früh morgens, vor dem Einkauf des Frühstücks, sporadisch die Umgebung um unsere Ferienunterkunft erkundet. Dabei konnte ich das eine oder andere Makrofoto von Pflanzen und Insekten im Spreewald realisieren.
Am dritten Morgen kniete ich gerade vor einem Dickkopffalter und mühte mich mit der Bildkomposition ab, als mich der Ruf eines Kranichs regelrecht elektrisierte. Es klang nicht weit entfernt. Sofort war mein Jagdinstinkt geweckt. Da ich in unmittelbarer Umgebung keinen Kranich ausmachen konnte, setzte ich mich ins Auto und suchte von der Landstraße aus die Wiesen der Umgebung ab. Leider konnte ich den Vogel des Glücks aber nicht finden. Einfach so aufgeben wollte ich nicht. Und auch meine Frau merkte mir an, dass es regelrecht kribbelte. Also bestärkte sie mich, die verbleibenden Tage gezielt auf die Suche zu gehen. In erinnerte mich, dass ich bei meinen Recherchen über die Region etwas von einem Beobachtungsturm gelesen hatte, um welchen auch Kraniche übernachten sollen.
Die Suche nach den Kranichen im Spreewald
Zunächst musste ich das Vorhaben, dorthin zu fahren aufschieben, weil wir noch eine Kahnfahrt in die Fließe der Spree gebucht hatten. Und auch noch ein sorbisches Heimatmuseum besuchen wollten. So ging es dann erst einmal aufs Wasser bzw. in die Auwälder, um die einmalige Landschaft in Spreewald zu genießen. Als Beifang gab es neben einigen Landschaftsaufnahmen Bilder von Wasserpflanzen und Libellen.
Am frühen Morgen des vorletzten Tages konnte ich mich endlich im Dunkeln zu dem ca. 300 Hektar großen Naturschutzgebiet Borcheltsbusch bei Freesdorf aufmachen. Als ich dort in der Morgendämmerung ankam, sah ich schon von der Straße aus die ersten Kranichtrupps abfliegen. Von dem Aussichtsturm am Rand des Moors konnte ich den im dichten Schilf gelegenen Schlafplatz der Vögel einsehen. Einige standen noch im seichten Wasser und ihre Rufe drangen eindrücklich durch den Morgendunst.
Erster Versuch
Leider war das Licht noch sehr schlecht und die Entfernung zu den Vögeln recht groß, sodass mir keine wirklich tollen Bilder gelangen. Selbst die am Turm vorbeifliegenden Kraniche in einer brauchbaren Qualität abzulichten war eine Herausforderung. Als das Licht endlich besser wurde, waren die Kraniche auf die umliegenden Felder zur Futtersuche ausgeflogen und ich konnte nur noch ein paar Aufnahmen von Silberreihern machen.
Danach machte ich mich zu Fuß auf die Suche nach den Vögeln. Auf den bereits abgeernteten Äckern konnte ich sie gut hören und schnell ausfindig machen. Ich hätte nicht gedacht, dass es trotz Tarnkleidung so schwer ist, an die Vögel heranzukommen. Sobald ich mich auf 300 bzw. maximal 200 Meter vorsichtig genähert hatte, flogen sie auf. Um dann in einiger Entfernung erneut zu landen. Da Sonne und Temperaturen rasch stiegen und die staubige Luft über den Äckern zu flimmern begann, musste ich meine erste Begegnung mit den Tieren abbrechen.
Auf dem Rückweg konnte ich noch einen Fuchs beobachten, der in einigem Abstand an einer Gruppe Kraniche geduckt vorbei schlich. Die Vögel waren auf ihn aufmerksam geworden und schlugen unter lautstarken Trompetenrufen mit den Flügeln. Der Fuchs traute sich offensichtlich nicht an die großen Kraniche heran. Auf dem Rückweg zum Auto fand ich wenigstens noch einige schöne Federn der Vögel, die ich als Andenken mitnahm.
Erneuter Versuch
Am nächsten Morgen fuhr ich noch früher zu dem Beobachtungsturm. Mit der Hoffnung die Vögel im Vorbeiflug wenigstens einigermaßen formatfüllend ablichten zu können. Leider flogen die Trupps an diesem Morgen genau in entgegengesetzter Richtung ab. Und ich musste, nach dem erneuten Versuch die Vögel auf den Feldern anzupirschen, wieder ohne Wunschaufnahmen abziehen. Auf der Informationstafel bei dem Beobachtungsturm sah ich, dass nicht weit entfernt – in Schlabendorf – das Natur-Erlebniszentrum Wanninchen ist. In unmittelbarer Nähe zum Spreewald kannst du dort an einem gefluteten Braunkohletagebau ebenfalls Kraniche finden.
Also, nichts wie hin. Als ich dort ankam, war weit und breit kein Kranich zu sehen. Und auch sonst war kaum ein Wasservogel an den Uferbereichen auszumachen. Also konzentrierte ich mich wieder einmal auf kleine Makromotive. Als mich der mittlerweile vertraute Trompetenruf der Kraniche aufschrecken ließ.
Unmittelbar vor mir sah ich ein Pulk Kraniche in geringer Höhe im Direktanflug auf mich zukommen. Sie waren so schnell und schon so nah, dass an ein Objektivwechsel nicht mehr zu denken war. Leider konnte ich sie mit dem 200 mm Makro, welches noch auf manuellen Fokus gestellt war, nicht mehr richtig anvisieren. So zog ich frustriert ab in Richtung Unterkunft. Tja, so ist das eben in der Naturfotografie.
… und einmal gehts noch
Am Abend motivierte mich dann letztlich wieder meine liebe Frau, es doch nochmals zu versuchen. So fuhr ich vor Sonnenuntergang erneut zu dem Beobachtungsturm bei Freesdorf. Ab und zu hat man einfach mal Glück! An einem Wassergraben, neben einer wenig befahrenen Landstraße, standen plötzlich einige Kraniche im Abendlicht. Blick in den Rückspiegel, Warnblinker an, Scheibe runter und langsam an den Straßenrand fahren. Endlich gelangen mir die ersten wirklich ansehnlichen Bilder von Kranichen am Boden. Offensichtlich ist das Auto wirklich das ideale Tarnzelt.
Danach fuhr ich nochmals zu dem Schlafplatz der Vögel und genoss das lautstarke Rufkonzert bevor sie sich endgültig zur Nachtruhe auf der Wasserfläche einrichteten. Am darauffolgenden Tag der Heimfahrt nahm ich meine Frau und meine kleine Tochter mit zu dem Beobachtungsturm, damit sie auch einmal aus relativer Nähe die Vögel erleben konnten. Wir hoffen damit unserer Tochter die uns gegebene Naturverbundenheit vermitteln zu können. Bisher trifft das immer auf Anklang bei ihr. Es ist einfach schön, wenn Kinder Tiere und Natur mit Interesse und Begeisterung wahrnehmen.
Das Resümee des Urlaubs
Wieder einmal war es mir vergönnt, Familienurlaub mit beeindruckenden Naturerlebnissen zu kombinieren. Ich empfinde es stets als großes Geschenk, das Glück zu haben, ganz bestimmte Tiere oder Pflanzen finden und erleben zu dürfen. Insbesondere, wenn ich an neuen Orten bin und wenig Zeit habe, dort zu bleiben. Wenn dann noch das ein oder andere Bild gelingt, ist das einfach nur großartig.
Mir bleiben diese wenigen Stunden bei den Kranichen auf jeden Fall in besonderer Erinnerung. Und ich werde den alljährlichen Zug der Vögel über meinen Wohnort in den kommenden Tagen ganz anders empfinden als bisher. Da ich sie nun erstmals relativ nah in ihrer natürlichen Umgebung erleben durfte. Auf jeden Fall möchte ich den Spreewald und die Kraniche wieder einmal besuchen und kann die Region durchaus weiterempfehlen.
Alle Fotos in diesem Beitrag hat Martin Stolz gemacht und sind urheberrechtlich geschützt!
Die Leidenschaft Naturfotografie stellt für mich einen wichtigen und vor allem kreativen Ausgleich zum beruflichen Alltag dar. Am liebsten fotografiere ich dabei vor der Haustüre, im Alpenraum aber auch auf Urlaubsreisen im Mittelmeerraum und der Ukraine.
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